Harzer Schmalspurbahnen

Ein Reisebericht aus dem Jahr 1997


"Der Harz, Deutschlands nördlichstes Mittelgebirge wird in seinem östlichen Teil von einem einzigartigen Schmalspur-Streckennetz durchquert. Mit diesem noch heute fahrplanmäßig mit Dampfverkehr betriebenen Netz wird die zerklüftete Gebirgs­welt für den Reiseverkehr erschlossen. Die kleinen Züge mit ihren dampfenden Stahlrössern führen den Reisenden durch tiefen Harzwald, über steile Berge und durch romantische Schluchten, vorbei an ausgedehnten Wiesen und hin zu wunderschönen Ortschaften."


Dieser Satz, den ich einem Prospekt der HSB entnommen habe, hat heute wie vor über zwanzig Jahren Gültigkeit und beschreibt in wenigen Worten, warum es mich immer wieder in den Harz zieht und zog. Das erste Mal war in 1976, das letzte Mal in 1999. Zu DDR-Zeiten waren nur Wernigerode und einige weiter östlich gelegenen Orte für Tou­ris­ten zugänglich, die interessanten Teile der Harzquerbahn lagen im gesperrten Grenzgebiet der DDR. Der Brocken war total gesperrt.


Der schneebedeckte Bahnhof Drei-Annen-Hohne
Der schneebedeckte Bahnhof Drei-Annen-Hohne am 26.1997.
Hier zweigt die Brockenbahn von der Harzquerbahn ab.

Da für uns der Harz in gut vier Stunden zu erreichen ist, wählten wir das Gebiet für unseren Winterkurzurlaub. Der Brocken ist im Harz zugleich der höchste und ein ziemlich schneesicherer Berg und deswegen sollte unser Hotel nicht weit vom Brocken entfernt sein. Im Internet wurden alle Unterkunftsmöglichkeiten in Brockennähe gesucht und nach einigen Anrufen hatten wir das geeignete Hotel in Drei-Annen-Hohne, nicht weit vom gleichnamigen Bahnhof, gefunden. "Die HSB fährt direkt bei uns vor der Tür vorbei und zum Bahnhof Drei-Annen-Hohne sind es etwa 10 Minuten Fußweg durch den Wald. Die Entfernung zu Wernigerode beträgt etwa 8 km. Im Monat Januar sind unsere Preise wegen der geringen Nachfrage entsprechend budgetfreundlich". Alles viel­ver­spre­chen­de Fakten, die die Entscheidung leicht machten und einen angenehmen Aufenthalt versprachen.


99 7246-5 nimmt Wasser im BW Wernigerode
Die Lokomotive 99 7246-5 im Betriebswerk Wernigerode, 23.1.97

Unser erster Urlaubsausflug galt der Stadt Wernigerode. Wir wollten, wo nur möglich, für die weiteren Ausflüge die HSB benutzen und gingen deswegen in den HSB-Laden an der Marktstraße, um ein Abo zu kaufen. So erwarben wir für DM 80,- pro Kopf zwei Zeit­karten für fünf Tage, die auf dem gesamten HSB-Netz benutzt werden konnten. Rein "zufällig" kamen wir kurz danach am HSB-Bahnhof und dem HSB-Betriebswerk vorbei, wo einige Lokomotiven in der Abendsonne zum Ablichten bereit standen.


Ölgefeuerte 99.7 beim Wassernehmen. 23.9.77
Die Lokomotive 99 0234-7 im Betriebswerk Wernigerode, 12.9.77

Selketal


Im HSB-Laden hatten wir uns mit Fahrplänen und Beschreibungen bestens eingedeckt. Doch bei der Planung unserer Touren stellten wir fest, dass es nicht möglich war, von unserem Standort aus nur mit der Bahn einen längeren Ausflug oder eine Tageswan­de­rung zu unternehmen. Hätten wir eventuell am Morgen noch zu unserem Zielort kommen können, so gab es dann am Abend keine Bahn zurück oder es wäre für eine Wanderung keine Zeit geblieben. So waren wir an einigen Tagen doch wieder auf unser Auto angewiesen.


Marktplatz mit Rathaus in Quedlinburg
Marktplatz mit Rathaus in Quedlinburg

Gleich am ersten Urlaubstag hatten wir uns Quedlinburg als Ziel ausgesucht. Den gan­zen Vormittag verbrachten wir in der sehr gut erhaltenen, mittelalterlichen Stadt. Vor dem Bahnhof fanden wir eine als Denkmal aufgestellte Reko 52-er und im Bahn­hof rangierte eine "Ferkeltaxe" mit Beiwagen.
Das Ziel für den Nachmittag war Gernrode, das wir über Thale am Hexentanzplatz vorbei erreichten. In Gernrode hatten wir keine Zeit mehr für den Ort selbst. Wir hatten uns vor­genommen, eine Teilstrecke der famosen Selketalbahn abzufahren und das hatte jetzt Vor­rang. Der Plan sah vor, bis Alexisbad zu fahren und dann im selben Zug nach Harzgerode weiterzufahren.

Der Schmalspurbahnhof Gernrode der HSB liegt neben dem Normalspurbahnhof der DB außerhalb der Ortschaft. Direkt daneben befindet sich ein großer neuer Parkplatz, wo wir das Auto abstellten. Es war ca. 14:00 Uhr und wir waren etwas zu früh. Auf dem gemein­sa­men Bahnhofsvorplatz stand eine Feldküche der ehemaligen NVA, wo Suppe und Würstchen serviert wurden. 99 7246-4 stellt unser Zug an den Bahnsteig, Gernrode, 24.1.97
99 7246-4 stellt unser Zug an den Bahnsteig
Gernrode, 24.1.97
Die Gegend war absolut menschenleer, auf dem Bahn­steig hielt sich ein einzelner, älterer Herr auf, aber die Sup­pe dampfte und duftete als würde man einen ungeheuren Ansturm er­war­ten. Wir nutzten die Zeit, den Nor­mal­spur­bahnhof in Augenschein zu neh­men. Auf dem HSB-Bahn­hof stand unsere Lok bereits dampfend vor dem Lok­schuppen. Wenig später fuhr sie zu ihrem Zug und stellte sich dann am Bahn­steig auf. Die Heizkupplung zwischen der Lok und dem erstem Wagen gab ein lautes Zischen von sich und hüllte alles in einen dichten Dampf­schleier. Der Heizer ver­suchte den Schaden mit einem Hammer zu be­he­ben, hatte aber keinen Er­folg. Das Zischen und der Nebel blieben. Schade für mich, denn so konnte ich wäh­rend der Fahrt keine vernünftigen Vi­deo­auf­nah­men machen. Der Zug be­stand aus Loko­mo­tive 99 7246-4 mit zwei rot-creme-far­bi­gen Wagen und einem roten Packwagen. An Passagieren gab es nur den einen Herrn und uns beide. Der Zug setzte sich laut Pfeifend in Be­we­gung und kreuzte die Straße direkt am Bahnhof. Durch eine lang­ge­streckte Kur­ve ging es an einer Neu­bau­siedlung vor­bei. Die Landschaft wur­de waldreicher und mit zunehmender Höhe nahm auch der Schnee zu. Wir fuhren nun durch ein Flusstal. Erneut kreuzten wir eine Straße, wo Autos vor dem Zug warteten. Der Schnee links und rechts von der Strecke wurde immer mehr. Schließlich war rundherum alles weiß und wir fuhren durch eine herrliche Winterlandschaft.

Die Lok stieß einen mächtigen Rauchpilz aus, der das ganze Tal wie ein Nebel ver­deck­te. Vorbei ging es an kleinen Industriesiedlungen und an Fachwerkhäusern. Dann und wann lief die Straße parallel zur Bahn. Das Eis auf dem Fluss war mangels Wasser eingebrochen und hing stellenweise wie ein Balkon 30 bis 40 cm über dem Strom.
Unser Lokführer hatte seinen Sohn vorne mit auf der Lok. Der Junge, 4-5 Jahre alt, war in einer richtigen, ihm viel zu großen Kluft gesteckt. In Alexisbad ging er an der Hand seines Vaters in das Bahnhofsgebäude. Ein schönes Gebäude aus Naturstein mit einer 99 7246 wartet auf Abfahrt, Gernrode 24.1.97
99 7246 wartet auf Abfahrt, Gernrode 24.1.97
Anzeigetafel, die aus Hun­der­ten von klei­nen Por­zel­lan­schild­chen zu­sam­men­ge­setzt war. Un­ser Zug musste eine Kreuzung ab­war­ten, be­vor es weiter nach Harz­ge­rode ging. Die Luft­pumpe unserer Lo­ko­mo­tive seufzte gelangweilt. Nach einiger Zeit traf der Dieselzug aus Eis­fel­der Talmühle ein, mit an der Spitze die Lok 199 891-3. Sobald der Dieselzug stand, stie­gen Vater und Sohn Lokführer ein und fuhren los nach Harzgerode. Es ging steil den Berg hinauf. Die Strecke war vielleicht 3 bis 4 km lang und in wenigen Minuten waren wir oben in Harzgerode. Hier musste die Lok um­set­zen und der kleine Lokführer, der mit seinem Kopf ge­rade über die Führerhaustüre schauen konnte, sah uns im Vorbeifahren an. Da stand ja einer mit einer Videokamera und er war im Bild! Nach diesem Manöver setzte die Lok wie­der an den Zug und der Kleine beobachtete den Großen beim Ankuppeln der Lok und dem Verbinden der Heiz- und Bremsschläuche. Wir zogen zu Fuß davon, wieder zurück in Rich­tung Alexisbad. Wenig später waren wir im Wald. Es war verräterisch glatt. Die dicke Schnee­schicht war wieder­holt aufgetaut und wieder gefroren. Stellenweise konnte man überhaupt nur ganz behutsam schlittern und rutschen. Es war schon ziemlich dunkel als der Zug, ebenfalls auf dem Weg nach Alexisbad an uns vorbeifuhr. Wir hatten das Meiste der Strecke noch vor uns. Manchmal mussten wir auf dem steilen Fußweg in die Hocke gehen, um unsere eventuelle Fallhöhe bei einem Ausrutscher zu verringern. Als wir endlich unten am Bach bei Alexisbad ankamen, standen wir auf der fal­schen Seite. Der Bahnhof und die Schienen lagen jenseits des Wassers und es war weit und breit keine Brücke in Sicht. Die Abfahrt des Zuges nach Gernrode kam schon näher und wir liefen am Bach entlang immer noch vom Bahnhof weg. Durch die Bäume hatte ich im Bahn­hof einen kleinen rot-beige­far­benen Triebwagen ausgemacht, den wir leider wegen der Dunkelheit und der vielen Bäume nicht fotografieren oder filmen konnten. Ich freute mich schon: "Das ist der Triebwagen, mit dem wir nach Gernrode zurückfahren werden", sagte ich noch. Als dann endlich eine Brücke in Sicht war, hörten wir, wie sich das Brummen eines Diesels näherte. Ich rannte los mit der Videokamera, bereit das brummende Triebfahrzeug zu filmen. Und siehe da, da kam "unser" Triebwagen, der GHE T1, einfach an uns vorbei­ge­fahren. Er war zu früh und so nahmen wir an, dass es sich um einen Sonderzug handeln muss­te, der nun auf dem Weg nach Gernrode war.
Als wir am Bahnhof Alexisbad ankamen, war es bereits vollends dunkel. Die gelbliche Na­trium­beleuchtung des Bahnhofs lieferte aber für die Aufnahme des "Triebwagens", wie der Zug im Fahrplan angekündigt war, gerade ausreichend Licht. Von wegen, Triebwagen, der Zug bestand wieder aus einer Diesellok und zwei rot-beigefarbenen Personenwagen. Wir waren müde, uns störte das nicht mehr. Im Zug war es durch das Rumpeln der Drehgestelle und das Quietschen der Räder unangenehm laut, dafür aber warm und hell.


Am nächsten Tag wollten wir eigentlich gerne das uns noch unbekannte Teilstück der Selketalbahn abfahren. Das Teilstück zwischen Alexisbad und Eisfelder Talmühle. Wie wir den Fahrplan auch kehrten und wendeten, wir fanden keine Möglichkeit, ohne Einsatz eines Automobils auch nur das kleinste Teilstück dieser Strecke an einem Tag zu­rück­zulegen. Um dennoch möglichst viel zu sehen, HSB Kamel 199 861-6 trifft am 25.1.97 in Hasselfelde ein
HSB Kamel 199 861-6 trifft am 25.1.97 in Hasselfelde ein
wählten wir als Ausgangspunkt der Reise Has­selfelde, wo es um 9:52 einen "Trieb­wagen", also eine Diesellok mit Wagen, nach Stiege gab. Mit dem Auto nach Has­selfelde war kein Problem. Ein Teil der Strecke war uns schon bekannt und so fuhren wir über Elbingerode, Rübe­land, über die Rappbodetalsperre direkt nach Hasselfelde. Es war ein trüber Tag, aber es war wenigstens trocken. Hasselfelde liegt auf 485 M.ü.M. und der Bahnhof ist vollkommen verlassen und herunterge­kommen. Unser Auto stellten wir auf der Laderampe im noch jungfräulichen Schnee ab. Es gab sonst keine Auto­spu­ren und so nahmen wir an, dass es an der Stelle nicht stören würde. In der Fer­ne konnten wir die Pfeife der Diesel­lok bereits hören und kurz danach fuhr 199 861-6 in den Bahnhof ein. Hasselfelde ist ein Kopfbahnhof und so musste die Lok an das andere Ende des Zuges umsetzen. Wir nahmen schon mal Platz und binnen wenigen Minuten waren wir auf dem Weg nach Stiege.

Das erste Stück der Strecke bis Stiege führte über eine kahle, schneebedeckte und wenig interessante Hochebene. In Stiege, wo wir planmäßig um 10:13 Uhr weiter in Richtung Eisfelder Talmühle fahren sollten, bot sich das gleiche Bild wie in Hassel­felde: dunkle und ver­wahr­loste Gebäude, dreckiger Schnee und grauer Himmel. Stiege ist ein Bahnhof in Form eines umgedrehten Y. Die beiden Zweige füh­ren nach Eisfelder Tal­müh­le und Gernrode. Der Stamm geht weiter nach Hasselfelde. Für die durchgehenden Züge von Eis­fel­der Tal­müh­le nach Gernrode bedeutet das, dass sie in Stie­ge immer Kopf machen müs­sen. Eine interessante Wendeschleife wurde zu DR-Zeiten hier an­ge­legt, um das Kopf ma­chen der durchgehenden Züge zwischen Gernrode und Eis­fel­der Tal­mühle zu vermeiden. Zur gleichen Zeit wurde auch die Strecke Stiege - Straßberg wieder aufgebaut, die nach dem Krieg als Reparationsleistung für die sowjetische Besatzung abgerissen wurde.

Der in Stiege eintreffende Gegenzug, ein Dampfzug mit Lok 099 7246-4 aus Eisfelder Tal­müh­le machte aber von der Wendeschleife keinen Gebrauch. Mit unserem Diesel­zug fuhren wir von Stiege nach Eisfelder Talmühle weiter. Vorbei am Schotterwerk ging es durch viel Natur bis wir über eine lange Kurve, parallel an der Bahn nach Ben­ne­cken­stein, in den Bahn­hof Eisfelder Talmühle einfuhren. Hier stand bereits der Dampfzug, der von Nordhausen ge­kom­men war und uns nach Drei-Annen-Hohne weiterbefördern sollte. Der Gegenzug musste noch abgewartet werden. Wir blieben am Bahnsteig im Schnee stehen, um die Kleinbahn­at­mos­phäre zu genießen. Kurze Zeit später befanden wir uns auf der kurven­rei­che Steigungs­strecke in Richtung Benneckenstein. Eine Zeit lang sahen wir noch die Bun­des­straße 81 rechts unter uns am Flusslauf, dann waren wir nur von einer unberührten Schnee­landschaft umgeben. Auf dem Weg nach Benneckenstein fuhren wir an die Orte Sorge und Elend vorbei. Ich stand die meiste Zeit auf dem Balkon von unserem Wagen und konnte in den Kurven vor­ne die Lok 99 7236-5 sehen. Unsere Lok fuhr mit dem Tender vorn. Die Steigungs­tä­fel­chen an der Strecke zeigten mir genau, wann die Auspuffschläge wieder lau­ter werden sollten und wo ich konnte, ließ ich die Kamera mitlaufen. Gelegentlich musste ich den Balkon ver­lassen und in den Wagen gehen, um mich wieder etwas aufzuwärmen. Die Ausfahrt in Elend bereitete der Maschine und dem Lokführer einige Probleme. Wiederholt kam die Maschine ins Schleudern.

Nach einer Stunde und zehn Minuten kamen wir in Drei-Annen-Hohne an. Vor dem Ein­fahrsignal mussten wir noch etwas warten, bis der Zug vom Brocken in den Bahnhof eingelaufen war. Nachdem nun auch unser Zug im Bahnhof stand, stiegen wir aus und warteten den durchgehenden Zug nach Nordhausen ab. So um 12:00 Uhr herum ist hier betrieblich einiges los. Alle 3 Züge befinden sich zu dieser 99 7238-1 mit Zug nach Nordhausen und 99 7236-5 am Wasserkran im Bahnhof Drei-Annen-Hohne (25.1.1997)
99 7238-1 mit Zug nach Nordhausen und 99 7236-5
am Wasserkran im Bahnhof Drei-Annen-Hohne (25.1.1997)
Zeit im Bahnhof, überall dampft es und man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Der Zug, der vom Brocken her­un­ter­ge­kommen ist, wartet an Bahn­steig 2. Geführt von 99 7238-1 fuhr einige Minuten spä­ter der durchgehende Zug Wernigerode - Nordhausen ein. Die Zuglok unseres Zuges und die Maschine vom Brocken mussten nun an den Wasserkran. Anschließend wurde rangiert. Der Brockenzug wurde mit einem Wagen aus dem Zug nach Nordhausen ver­längert. Um Punkt zwölf fuhren dann der Brockenzug und der Zug nach Wernigerode gleichzeitig aber natürlich in ent­ge­gen­ge­setzte Richtungen los. Fünf Minuten später ging es ab nach Nordhausen und eine absolute Ruhe kehrte in den Bahnhof ein. Wir gingen zu der Unterführung, ein Bau­denk­mal aus einer fernen Zeit, das irgendwie, ohne besondere Pflege zu genießen, ein Jahr­hundert im Origi­nal­zustand überlebt hat. Die Unterführung führte zu einem riesigen Park­platz, der nun ver­schneit und verlassen vor uns lag. Auf einer großen Schautafel an diesem Parkplatz fanden wir eine Karte, auf der ein Wanderweg nach Königshütte über Rothe Hütte eingezeichnet war. Den Weg galt es zu finden. Wir wollten nämlich nicht an der Straße ent­lang gehen. Eine Zeit lang liefen wir auf eine teilweise aufgetaute Langlaufloipe, die par­al­lel zur Straße nach Elbingerode verlief. Als die Loipe aufhörte, gingen wir rechts in den Wald hinein. Damit hat­te unsere abenteuerliche Wanderung nach Hasselfelde begonnen. Das Wetter war nach wie vor grau in grau und wir hatten eine Wegstrecke von mindestens 3 Stun­den vor uns. Wir hiel­ten uns vor, um ca. 16:00 Uhr in Hasselfelde zu sein. Es war gerade 12:30 Uhr. Nach et­was Unsicherheit hatten wir endlich den Weg mit dem roten Punkt gefun­den. Bis Neue Hütte an der B27 mussten wir diesem Zeichen nur nachgehen. Kurz hinter dem Gehöft gab es auf der linken Seite einen Rastplatz mit einem Wasserfall, den wir uns ansahen. Dann unterquerten wir die Rübelandbahn und gingen ein Stück an der Straße ent­lang, bis wir über Rothe Hütte mit seinen Eisengießereien zu Königshütte kamen, dem End­punkt der Rübe­land­bahn. In Königshof fließen kalte und warme Bode zusammen und werden zur Bode.

Wir verließen nun die Straße und gingen am Fuße der Ruine Königsburg an der War­men Bode entlang ein Stück flussaufwärts. Der Fluss war zum größten Teil zuge­froren. Das Wasser unter dem Eis war abgelaufen und das Eis war in der alten Hö­he hängengeblieben oder eingebrochen und vom Strom zusammengedrückt. Unser Weg war von nun an mit einem grünen Kreuz gekennzeichnet. Wir waren absolut allein, weit und breit war kein Haus zu sehen, nur Wald und Bäume. Stundenlang liefen wir ohne eine Men­schen­see­le zu sehen. Dabei war das Gehen mitunter recht riskant. Die Schneeschicht war zusammengefahren, teilweise abgetaut und wieder gefroren. Bei jedem Schritt mussten wir aufpassen, nicht auszurutschen. Nach langer Zeit sahen wir die ersten Hinweise auf Hassel­felde. Aber noch waren wir nicht über das Vorbecken der Rappbode gekommen. Manchmal kam ein einzelnes Schneeflöckchen vom Himmel gefallen. Die Stille war unheimlich und erdrückend. Besonders wenn wir eine Pause einlegten und das Knirschen der Bergschuhe im Schnee aufhörte, war es so still, dass die Ohren anfingen zu Pfeifen. Kein Vögelchen war zu hören, kein Bisschen Wind, rein gar nichts. Wir hatten die "Wasserscheide" zwischen der Warmen Bode und der Rappbode überwunden und befanden uns auf dem Abstieg zu dem Vorbecken des Rappbodestausees.

Als wir über die Talsperre waren und Richtung Hasselfelde gingen, fing es ein wenig an zu schneien. Es war schon 16:00 Uhr, wir wurden langsam müde und deswegen legten wir eine kurze Pause ein und aßen unser letzter Proviant aus dem Rucksack. Es ging nun wieder Bergauf. Manchmal war es schwer, den Weg zu finden. Wir hatten den Wald ver­lassen, es wurde schon dunkel und wir gingen an einer endlosen Birkenallee in sonst kahler hügeliger Landschaft in Richtung Hasselfelde. Von der Stadt selbst, keine Spur. Endlich, es war schon fast fünf Uhr, kamen wir an einem Reitstall mit einem Restaurant vorbei, was für uns bedeutete, dass wir die bewohnte Welt wieder erreicht hatten. Aber immer noch keine Spur von Hasselfelde. Nach einer weiteren Viertelstunde tauchte die Stadt hinter einer Ge­län­dekuppe auf und wenig später standen wir erleichtert vor dem Bahnhof. Unser Auto war noch da, allerdings etwas eingeschneit. Es war nun total dunkel und der anfänglich leichte Schneefall hatte sich verschlimmert. Aus der Ferne tönte das Horn eines Diesels. Etwas spä­ter tauchten aus der Dunkelheit die Scheinwerfer der Lokomotive auf und ein Zug fuhr den Bahnhof ein. Während die Diesellok umsetzte, machten wir das Auto startklar und berei­te­ten uns auf eine chaotische Rückfahrt über verschneite Straßen vor.


Reisebericht Brockenbahn


Als wir am Samstagmorgen die Vorhänge des Hotelzimmers öffneten, war es das herr­lichste Wetter. Am stahlblauen Himmel ging gerade eine goldene Wintersonne auf, die ihr warmes Licht über die frisch verschneite Wiese hinter den geparkten Autos ergoss. Die Tannen und Fichten waren wie mit Puderzucker bestreut, ein Bild wie aus einem Wintersportprospekt. Am Waldrand ganz rechts konnte ich die Eisenbahn sehen und hörte auch wie sich eine Diesellok näherte. Es kam ein Schneepflug vorbei, geschoben von einer 1998. Das Hotel "Drei Annen" am sonnigen Morgen des 26.1.1997
Das Hotel "Drei Annen" am sonnigen Morgen des 26.1.1997"
Unser Entschluss war schnell gefasst; heute war der Tag für den Brocken. Nach dem Frühstück spazierten wir zum Bahnhof. Dort waren wir die ersten; der Schnee war noch unberührt, nur die Schienen waren durch den Schneepflug befahren. Recht bald kamen auch die ersten Fahrgäste für den Brocken von dem enormen Parkplatz am Bahnübergang. Langsam füllte sich der Bahn­hof. Als dann laut Pfeifend der Zug sich ankündigte und die Lok 99 7245-6 zischend und dampfend um die Kurve kam, wa­ren im Nu die Bahnsteige voller Betriebsamkeit. Fotografen liefen umher und hielten die Lok beim Wasserfassen im Bild fest. Passagiere stiegen aus dem Zug, um am Büdchen den letzten Proviant für den bevorstehenden Tag zu besorgen.

Wir nahmen im vorletzten Wagen Platz. Ich nehme immer einen Wagen ziemlich am Ende des Zuges, um in den Kurven die Lok besser Filmen zu können. Die Wassertanks der Lok waren voll und der Zug fuhr mit kräftigen Auspuffschlägen aus den Bahnhof auf den Stre­cken­ast nach Schierke.

Die Strecke steigt beständig und führt durch langgestreckte Kurven von Drei-Annen-Hohne bis Schierke durch den Wald. Der Bahnhof in Schierke wirkte wie eine kleine Winterkirmes. Fress- und Saufbuden, und eine Betriebsamkeit, wie in einem alpinen Wintersportort. Die Lok hatte punktgenau am Wasserkran gehalten und ließ ihre Tanks zum letzten Mal vor dem großen Anstieg noch mal ganz volllaufen. Als der Abfahrtspfiff Zwischenstopp auf dem Weg zum Brocken, Schierke (26.1.1997)
Zwischenstopp auf dem Weg zum Brocken, Schierke, 26.1.1997
ertönte, setzte sich der Zug mit lauten Auspuffschlägen in Bewegung. Nun kam der steilste Teil der Strecke. Zunächst ging die Fahrt wieder durch den Wald. Auf der rechten Seite der Stre­cke befand sich ein Wander­weg, der dicht von Wanderern belegt war. Bei der ersten gro­ßen Lichtung verzweigte sich der Wanderweg und ein Ast des Weges kreuzte die Bahnstrecke. Weiter fuhren wir durch den Wald. Die Kurven wurden enger und die Lichtungen wurden häu­figer. Irgendwann hatten wir eine Art Baumgrenze erreicht und die Vegetation bestand nur noch aus verkrüppelten Tan­nen und Buschwerk. Der Brockengipfel war immer öfter vom Zug aus sichtbar kam aber den­noch nicht näher. Die Bahn führt hier in einer Spirale um den Gip­fel, um so die Steigung ge­ring zu halten. Die Lok fuhr jetzt in der Sonne und sie machte Dank der Kälte und des hohen Tempos reichlich Dampf. Die Wolken zogen an den Wagen vor­bei und hinterließen, weiß strah­lend in der Sonne vor dem blauen Himmel, einen unver­ges­senen Eindruck. Die Aus­puffschläge donnerten und Kohle und Asche flogen mir sogar am letz­ten Wagen noch um die Ohren. Kurz vor dem Gipfel legte der Lokführer noch mal einen Zahn zu, was für den armen Heizer wohl bedeutete, dass er nun wohl pausenlos Kohle schaufeln musste. Für die Rei­sen­den im Zug war das natürlich ein zusätzliches akustisches Erlebnis. Oben auf dem Brocken­plateau angekommen, setzte die Lokomotive an das andere Ende des Zuges und wir gingen derweil zu Fuß weiter zum eigentlichen Brockengipfel.

Die Aussicht war wider Erwarten nicht besonders gut. Die Tiefebene in Richtung Nor­den war mit einem dünnen, grau-grünen Dunstschleier verhangen. Unter dem Schlei­er konnten wir die Stadt Ilsenburg mit einigen Fabrikschornsteinen ausmachen. Für einen weiteren Blick reichte es nicht. Ein eisiger Wind wehte uns um die Ohren und zwang uns Kapuzen und Mützen wieder anzuziehen, die wir wegen des schönen Wetters unten im Tal nicht mehr benötigt hatten. Der Rundgang um das Brockenplateau gestaltete sich wegen der dicken Schnee- und Eisschichten als äußerst schwierig. Teilweise war die Schneeschicht eingebrochen und unsere Bergschuhe rutschen in bis zu 30 cm tiefe Löcher. Zum Teil war der Schnee vom Wind ganz weggefegt und eine verräterische Eisschicht bedeckte den steinigen Boden. Als wir fast erfroren waren, schmeckte uns eine warme Erbsensuppe an der "Bro­cken­baude" natürlich exzellent. Der Wind blies so heftig, dass uns die Suppe vom Löffel über die Kleidung flog und wir standen daher vornüber geneigt am Tisch und schlürften die Suppe im Windschatten des eigenen Körpers vom Löffel. Wir hörten, wie der Brockenzug den Gipfel wieder verließ und machten uns ebenfalls auf den Weg nach unten. Wir wählten die "Brockenstraße", einen mit Platten betonierten Weg, der ziemlich geradlinig nach Schier­ke führt. Teilweise war gar kein Schnee auf der Straße und die vereinzelten Lang­läu­fer, die wir sahen, gingen am Rande der Straße und nahmen den Verschleiß der Skier wohl oder übel in Kauf. Ein Radfahrer auf einem Mountainbike kam uns entgegen. Trotz der Kälte hatte er die Ärmel hochgekrempelt und er schwitzte wie an einem warmen Sommertag. Nach einiger Zeit kamen wir an einen Bahnübergang. 99 7245-6 donnert mit Volldampf auf den Brocken
99 7245-6 donnert mit Volldampf auf den Brocken (26.1.1997)"
Hier kreuzte die Straße zum zweiten Mal die Gleis­spi­ra­le. Wir warteten, bis sich ein Zug ankündigte. Zur sel­ben Zeit kam von unten ein Pferde­fuhr­werk und der Kutscher spornte sein Pferd an: "Schnel­ler Ramona, bevor der Umwelt­ver­schmut­zer kommt!" Als Ra­mo­na mit dem Plan­wagen am Bahn­übergang vor­bei war, kam in der Ferne auch schon der Zug von unten angedonnert. Ein Riesenspektakel! Die Langläufer, die die Strecke als Loipe benutzt hatten, machten sich aus dem Staub. Es war genau die Strecke, wo der Lokführer bei unserer Bergfahrt auch so viel Dampf gegeben hatte. Übrigens war es auch "unsere" Lok, die an uns vorbeidonnerte, die 99 7245-6. Wir schauten den Zug nach und als das Spektakel vorbei war, verließen wir den Bahnübergang und die Betonplattenstraße und bogen rechts in den Wald ab. Der Wanderweg war total vereist und Leute die von unten hoch kamen warnten uns, dass es weiter unten sogar ge­fähr­lich sei. Eigensinnig, wie wir waren, probierten wir es trotzdem und kamen ohne Zwi­schenfälle unten am "Eckernloch" an, wo die Bahn in einer Talwärts fahrender Zug am Eckernloch (26.1.1997)
Talwärts fahrender Zug am Eckernloch (26.1.1997)
 
scharfen Kurve den Bach auf einer Brücke über­quert. Als ob es der Zufall wollte, wir standen noch nicht an der Brücke und schon kündigte sich der talwärts fah­ren­de Zug laut­stark an. Na­tür­lich machten wir wieder einige Aufnahmen, bevor wir weiter durch das Bachtal in Richtung Schierke gingen. Durch einen dichten Tannenwald er­reich­ten wir eine Forststraße, die wieder herauf zur Bahnlinie führte. Weiter ging es nun an der Bahnstrecke entlang durch den Wald bis zum Bahnhof Schierke. Beim nächsten Bahn­über­gang bot sich wieder eine Fotogelegenheit. Wir mussten gar nicht lange warten, bis der Zug, den wir bei seiner Bergfahrt im Wald gehört hatten, wieder an uns vorbei fuhr. Von hier nach Schierke waren es immer noch ca. 4-5 km und der Tag ging schon langsam dem Ende zu als wir dort ankamen. Wie es sich gehörte, waren wir auch hier wieder pünktlich für den letzten Zug auf den Brocken. Der wurde auch noch mal fotografiert und gefilmt. Die Sonne stand schon tief am Himmel als wir uns in Richtung Drei Annen aufmachten. Diesmal gingen wir nicht an der Bahnstrecke entlang, sondern quer über den Berg, in der Hoffnung so etwas schneller zu Hause zu sein. Wir kamen an einem großen Granitbrocken vorbei, dem Truden­stein, der mit Leitern und einer Aussichtsplattform ausgestattet war. Mir bot sich von oben ein Blick in die untergehenden Sonne. Die Abendstimmung wurde auf Video festgehalten. Der Weg zog sich länger hin als wir dachten. Kurz vorm Bahnhof Drei-Annen-Hohne bog nach Norden der Weg zum Hotel "Drei Annen" ab. Er führte durch dichten Wald, stellenweise über Holzstege, die wohl wegen des Morastes angelegt wurden. Auf den Bohlen hatte sich der alte Schnee gehalten, was das Gehen erschwerte. Es war schon richtig dunkel geworden und das Licht des Hotels reflektierte im Schnee.


Der Montag war wieder ein wunderschöner Tag. Der blaue Himmel lockte und wir nah­men uns beim Frühstück vor, nach Wernigerode zu wandern. Unser Wanderweg fing direkt am Hotel an. Auf dem großen Parkplatz vor dem Hotel war eine Art Schutz­hüt­te aufgebaut, bei der große Tafeln mit der Übersicht der Wanderwege rund um Wernigerode standen. Wir wählten die Route über "Ottofelsen" und "Steinerne Renne. Die Weg­mar­kierung führte zu einem gesperrten Weg, auf dem Waldarbeiter mit der Rodung von Tannen be­schäf­tigt waren. Wir, frech wie wir sind, gingen einfach durch die Flatterbandsperre, grüßten die Arbeiter, die noch ihren etwas zu aufdringlichen Hund zurückpfeifen mussten und gingen her­auf in den Wald. Rechts unter uns konnten wir die Eisenbahnlinie ausmachen. Leider fuhr kein Zug vorbei. Die Beschilderung des Weges war mal wieder sehr dürftig. Es dauerte nicht lange und wir hatten die Orientierung nahezu verloren. Wir hielten uns daher eine Zeit lang an den Schildern in Richtung "Bergrettungsdienst" und "Bergwart". Von dort ging das Ver­wirr­spiel weiter. Wir suchten den Ottofelsen. Die Beschilderung war teilweise da aber die Spur verlor sich auf einer schneebedeckten Wiese oben an einem äußerst steilen und durch Eis und Schnee fast unbegehbaren Hang. Die Fußspuren im Schnee führten von hier in alle Rich­tungen. Nicht mal die meistbetretene Spur, die wir verfolgten, führte zu einem Felsen, so dass wir mehr oder weniger verzweifelt aufgaben und wieder den mühsam erklommenen Berg herunterschlitterten. Bei der nächsten großen Übersichtstafel war die "Steinerne Ren­ne" wieder beschildert und die Welt für uns wieder in Ordnung. Noch hatten wir keine Ah­nung, was sich hinter dem Namen "Steinerne Renne" verbirgt. Nach einem halbstündigen Marsch in nördlicher Richtung trafen wir auf einen Mann, der auf einmal rechts von uns einen kleinen Pfad hinunter ging. Der Pfad führte zu einem Privathaus und so dachten wir: "Der wohnt da oder besucht da jemanden". Wir gingen an dem Weg vorbei. Als wir uns noch mal umdrehten und in das Tal hinunter schauten, in das der Mann gegangen war, sahen wir zu unserer Überraschung eine Art Hotel oder Restaurant, auf alle Fälle ein größeres Haus, das leer zu stehen schien und uns vorher gar nicht aufgefallen war, weil das kleine "Privat­haus" die Sicht versperrte. Nun sahen wir auch, dass es auf der anderen Seite des Baches einen Wanderweg gab, der über einen Steg mit unserem Ufer verbunden war. Wir drehten um und gingen ebenfalls den kleinen Weg hinunter. Die Steinerne Renne. Links das verlassene Lokal (27.1.1997)
Die Steinerne Renne.
Links oben das verlassene Lokal (27.1.1997)
Der führte nicht zu dem Privathaus, son­dern ging dran vorbei und brachte uns über Stufen zu dem Restaurant, das sich jetzt als leerstehendes Ausflugslokal ent­puppte. Es war schon etwas un­heim­lich, alle Türen standen offen, die Fenster­scheiben waren eingeschmissen und alles sah so aus als wäre das Lokal vor kurzem noch in Betrieb gewesen. Tische und Stühle, Verkaufsbuden auf den Terrassen, Ge­län­der, Beleuchtung, Werbeschilder und unser Weg sahen recht frisch aus und wären nicht die Spuren des Vandalismus da gewesen, hätten wir angenommen, das Lokal habe Winter­pause. Die Wer­bung für Eis (aus dem Westen) bestätigte unser Gefühl, dass dieses Lokal auch nach der Wende noch in Betrieb war. Wahrscheinlich war der Fremdenverkehr im Harz so zurückgegangen, dass es sich nicht mehr gelohnt hat, das Lokal länger zu betreiben. Am Anfang des 20. Jahr­hunderts, als das Ausflugslokal erbaut wurde, muss hier wohl einiges mehr los gewesen sein. Heute fühlen sich wohl die wenigsten Leute von Wanderwegen in "wildromantischen" Flusstälern angezo­gen und fahren lieber mit dem Auto auf gut ausge­bau­ten Autobahnen und machen an einer "romantischen" Raststätte Halt. Über die Ter­ras­sen­för­mig angelegten Biergärten, die untereinander mit Stein­treppen verbunden waren, er­reich­ten wir den Steg. Der Bach, "Eiserne Renne", war teilweise zugefroren und die aus dem Was­ser ragenden Felsköpfen mit dicken Schneemützen bedeckt. Das Bild war märchenhaft. Es fehlte leider nur die Sonne, die hoch über uns auf das Aus­flugs­lokal schien aber aufgrund der Wintersaison den Grund des Bachtales nicht erreichen konnte. Wir verweilten eine gan­ze Zeit auf dem Steg, machten Aufnahmen von Eis, Schnee, Wasser und Granit und ge­nos­sen die Atmosphäre vergangener Größe. Der Wanderweg führte ständig am rechten (öst­lichen) Ufer des Baches. Immer wieder gab es herrliche Aussichten auf den von der Sonne beschie­nenen gegenüberliegenden Berghang. Die Granitklippen leuch­teten in der Glut der Winter­sonne. Unterwegs wurde uns auch eine mögliche Erklärung für die "Eiserne Renne" klar. An einer eisfreien Stelle des Baches konnten wir die Rostfarbe des Wassers ganz deutlich er­ken­nen. Die braun-rote Färbung deutet auf Eisen hin und "Renne" mag soviel bedeuten wie "Rinne". Uns reichte das erst mal als selbstgestrickte Er­klä­rung für den Namen. Eigentlich war der Weg gut begehbar, nur an einigen Stellen wur­de es etwas eng. Manchmal hatten auch die Waldarbeiter das von den Stämmen abgesägte Geäst einfach auf dem weg liegen lassen und wir mussten drüber steigen. Nur an einem Denkmal am rechten Hang Denkmal des Harzclubs in der Steinernen Renne (6.01.2014
Denkmal des Harzclubs
in der Steinernen Renne (6.1.2014)"
wurde es etwas brenzlig. Es war ein grob behauener Stein mit einer flachen Front, auf der ein Bron­ze­relief eines Männer­kopfes befestigt war. Die Inschrift des Steins lautete:

"Seinem Ehrenmitglied H.C. Huch
Schöpfer des Harzclubs
Zweigverein Wernigerode 1933"

Unten am Stein, oder besser zwischen Sockel und Stein entsprang ein kleines Rinnsal, das durch die Kälte zu Eis erstarrt war und auf un­se­rem Weg über die volle Breite eine Eiskruste von ca. 30 cm Stärke hinterlassen hatte. Mit äu­ßers­ter Vorsicht nah­men wir das Hindernis, um nicht in das Flussbett abzurutschen. Nach und nach wurde das Flusstal breiter und an einer Lichtung trafen wir auf einen wunderschönen Baufall. Ein Fachwerkhaus mit diversen Stal­lun­gen. Es muss mal ein wunderschönes Haus gewesen sein. Es war nicht alt (vielleicht Anfang des 20. Jahrhunderts) aber sehr schön und strahlte etwas sehr Vornehmes aus. Verbotsschilder und Zäune verhinderten den Zugang. Kurz danach er­reichten wir die Bahnunterführung und damit den Talausgang. Hier sind verschiedene klei­ne­re Industrien angesiedelt und ein Wasserkraftwerk direkt unterhalb des Bahnhofs "Steinerne Renne" verbreitete ein monotones Summen. Ein Denkmal erinnerte an einen un­mensch­lich­en Transport von Juden während des zweiten Weltkriegs. Ein anderes Brum­men und Pfeifen unterbrach die Monotonie des Kraftwerks. Es näherte sich ein Per­so­nenzug in Richtung "Drei Annen", der sich von einer 1998 (199 892-1) gezogen, in die enge Kurve legte. 199 892-1 mit Personenzug in der Kurve beim Bahnhof Steinerne Renne
199 892-1 mit Personenzug in der Kurve beim Bahnhof Steinerne Renne
Als der Zug vorbei war, warfen wir noch einen kurzen Blick in den Bahn­hof. Ein höl­zer­nes Emp­fangs­ge­bäu­de, offene höl­zer­ne Wartehalle und zwei Glei­se, die in einer Gegen­kurve direkt am Berghang lagen, ein Paar Signale und fertig war der Bahnhof. Wir setz­ten unseren Weg nach Wernigerode fort, wobei wir ver­suchten, so nah wie möglich an der Bahnstrecke zu bleiben. Der Ortsteil Hasserode war er­reicht, gekennzeichnet von leeren Fabriken und Verfall. Besonders in der Nähe des Bahnhofs bot das ehemalige Kraftwerk "Argenta" aus den zwanziger Jahren ein trostloser Anblick. Als wir weiter in den 99 7245-6 fährt durch die Kirchstraße
99 7245-6 fährt durch die Kirchstraße (27.1.1997)
 
Ort hinein gingen, trafen wir auf eine interessante Stelle, wo sich Bahn und Straßen­ver­kehr be­geg­nen. Für uns war das eine Foto­stelle, an die man als Ei­sen­bahnfreund nicht vorbeigehen darf und wir muss­ten un­be­dingt die Durch­fahrt eines Zuges abwarten. Die Kirch­straße war links und rechts von bunten, klei­nen Fach­werk­häusern gesäumt. Auf einer Seite lagen die Schienen im Straßenplanum direkt vor den Fenstern und Türen der Häuser. Für die Be­wohnern muss wohl eine ähnliche Regel gel­ten wie für die Passagiere im Zug: "Öffnen der Türe während der (Vorbei-)Fahrt verbo­ten". Nach einiger Zeit kündigte sich ein Zug aus Wernigerode an. Die Autos fuhren noch ganz un­ge­stört durch die schmale Straße. Als der Zug schon am Haltepunkt Kirchstraße stand, husch­ten mir immer noch Autos durch das Bild. Ein Kleinlaster fing sogar in der schmalen Straße noch ein Wendemanöver an, während der Zug schon losfuhr. Dennoch klappten un­se­re Aufnahmen einigermaßen, wie das neben­ste­hen­de Bild beweist. Die uns bereits bekannte Lok 99 7245-6 führte den Zug. Ohne viel Krach und für einen Dampfzug eigentlich sehr be­hut­sam wurde die schmale Kirchstraße durch­fah­ren.
Von nun an führte ein schöner Wanderweg direkt an der Bahnlinie entlang bis kurz vor die Innenstadt Wernigerodes. Regelmäßig kamen Züge vorbei und so wurde uns nicht langweilig. An Wernigerode Westerntor vorbei gingen wir zum Bahnhof Wernigerode, wo wir den Zug zurück nach Drei-Annen-Hohne nahmen.


Die damals noch ölgefeuerte 99 0234 im Bahnhof Wernigerode, 23.9.77
Die damals noch ölgefeuerte 99 0234 im Bahnhof Wernigerode, 12.9.77

Lokomotiven und Triebwagen, die wir während unseres Aufenthaltes vom 24.1.97 - 29.1.97 in Betrieb gesehen haben:
99 5903 als Traditionslok im BW Wernigerode (12.9.1977)
"99 5903 als Traditionslok im BW Wernigerode (12.9.1977)
 

99 7231-6
99 7233-2
99 7236-5
99 7238-1
99 7243-1
99 7245-6
99 7246-4

199 861-6
199 870-7
199 891-3
199 892-1

187 012-0
187 015


HSB im Juli 98


Beim letzten Kurzaufenthalt in Wernigerode haben wir folgende Lokomotiven in Aktion erlebt, bzw. betriebsfähig abgestellt gesehen:
99 7235-7 am einzigen Tunnel der HSB
HSB 99 7235-7 verlässt den Thumkullen-Tunnel,
den einzigen Tunnel der HSB (6.7.1998)
 
199 871-5
99 5901
99 6001-4
99 7222-5
99 7231-6
99 7233-2
99 7235-7
99 7237-3
99 7238-1
99 7239-9
99 7244-9
99 7245-6


Lokschild der Einheitslok 99 7222-5
Fabrikschild der Einheitslok 99 7222-5

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