Die Eisenbahn in Gruiten
Von Gruiten aus gelangt man zu Fuß in weniger als je einer Stunde zu den Bahnhöfen Haan, Wald, Gräfrath, Vohwinkel, Dornap-Hahnenfurth, Mettmann, Neanderthal, Hochdahl und Millrath. Ein einst unerreicht dichtes Eisenbahnnetz erschloss die Region im Städtedreieck Düsseldorf - Solingen - Wuppertal. An nicht weniger als 4 verschiedenen Eisenbahnlinien liegen (lagen) diese Bahnhöfe. Namen wie "Bergisch - Märkische Eisenbahn" (BME), "Rheinische Eisenbahn" und "Düsseldorf - Elberfelder - Eisenbahngesellschaft" (DEE) sind mit diesen Strecken verbunden.
Am 3. September 1841 fuhr der offizielle erste Zug von Düsseldorf nach Elberfeld
(Bahnhof Steinbeck) in den
Bahnhof
Haan (Gruiten) ein. Die neue Bahnstrecke Düsseldorf-Elberfeld
war gerade in voller Länge eröffnet worden. Zuvor hatten am 28. Mai desselben Jahres die Züge schon Vohwinkel
erreicht. Die Betreibergesellschaft, die Düsseldorf - Elberfelder - Eisenbahngesellschaft (DEE) wurde schon
im Herbst 1835 gegründet und machte sich Anfang 1838 ans Werk. Man hatte die kürzeste Verbindung der beiden
Städte, dafür aber die steilste gewählt: zwischen Erkrath und Millrath musste auf einer Streckenlänge von
ca. 2,5 km einen Höhenunterschied von mehr als 80 m überwunden werden. Das erste Teilstück der Strecke von
Düsseldorf über Gerresheim bis Erkrath wurde noch relativ schnell gebaut und ging nach 8 Monaten noch in
1838 in Betrieb. Die Fortsetzung der Strecke über die
Steilrampe
zum neuen Bahnhof Hochdahl am Kopf der Steigung und weiter
über Gruiten, Vohwinkel nach Elberfeld zog sich, vornehmlich wegen der Steilrampe aber auch wegen der
davonlaufenden Kosten, noch bis 1841 hin.
Damals waren die an der neuen Strecke liegenden Dörfer Gruiten,
Millrath, Schöller und Sonnborn Teile der Bürgermeisterei Haan. Der Bahnhof in Gruiten lag auf haaner
Grundgebiet nur wenige Kilometer vom Kern der Ortschaft Haan entfernt und wurde deswegen zur "Station Haan"
gestempelt. Dieser Bahnhof wurde damals auf freiem Feld erbaut. Der Ort Gruiten lag Luftlinie ca. 1,25 km
nördlich vom Bahnhof. Von der Station Haan zur Stadt Haan (Alter Markt) waren es Luftlinie 2,5 km. Schaut
man heute auf den gruitener Stadtplan, so lässt sich leicht erkennen, welche Bedeutung der Bahnhof für die
weitere Entwicklung der Gemeinde hatte. Die Bahnstraße wurde zur Hauptstraße mit
Rathaus
,
Postamt
und Geschäften.
Der Betrieb der Strecke im Jahre 1841 erfolgte mit äußerst kleinen und für heutige
Verhältnisse schwachen 1A1 und B1 Lokomotiven. Die Eisenbahngeschichte in Deutschland war ja gerade mal
sechs Jahre alt! Die kleinen Maschinen waren auf der 1:30 Steilrampe nicht in der Lage, viel mehr als das
eigene Gewicht nach oben zu schleppen. Deswegen wurde oben an der Rampe mit gewaltigem baulichen Aufwand
eine dampfbetriebene Seilwinde errichtet, welche die Züge mittels eines Hanfseiles(!) nach oben ziehen
sollte. Diese Lösung war aber so umständlich, dass man sie bald wieder verließ und die Anlage so gestaltete,
dass ein abwärts fahrender Zug über Seil und
Umlenkrolle
, den aufwärts fahrenden Zug zieht. In der ersten Zeit bestand
dazu noch die Möglichkeit, die stehende Maschine zur Unterstützung mit einzubinden, doch das erwies sich
bald als überflüssig. Bis 1926 wurde die Anlage mit Hilfe des Seilzuges betrieben. Die damaligen
Dampflokomotiven waren nun so leistungsfähig, dass ein Betrieb ohne Seil möglich war. Schwere Züge wurden
mit einer zweiten Lokomotive nachgeschoben. Eine der Umlenkrollen wurde 1938 als Denkmal am Bahnhof Erkrath
aufgestellt. Als 1986 in Hochdahl die gusseisernen Lagerkästen der ehemaligen Seilzuganlage im Gleiskörper
entdeckt wurden, beschloss man einen der Kästen, zusammen mit der Umlenkrolle aus Erkrath als Denkmal am
Bahnhof Hochdahl aufzustellen.
Im übrigen wurden beim Bau der Eisenbahnstrecke bei Hochdahl, in Obgruiten
und der Krutschheide (östlich von Gruiten) Eisenerzlager entdeckt, die zur Gründung des Hüttenwerks
"Eintracht" in Hochdahl führten. Der für die Verhüttung erforderliche Kalk war ebenfalls ein Produkt
der Gegend, nur die Kohle (der Koks) musste per Bahn herangeschafft werden. In Gruiten entwickelte
sich der bereits traditionelle Kalkabbau nun schlagartig und es wurde eine Verladestelle an der neuen
Eisenbahn angelegt. Neue Kalköfen entstanden und sorgten für viel Schienenverkehr. Auch die Gewinnung
des Eisenerzes ("Braunerde") spielte bis Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewisse Rolle.
Die
Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahngesellschaft ging 1857 in die Bergisch Märkische Eisenbahngesellschaft
(BME) auf.
Im Jahre 1867 wurde die Strecke Köln - Elberfeld, die zweite der BME im haaner Stadtgebiet, eingeweiht. Das bedeutete allerdings nicht, dass Haan nun über einen "eigenen" Bahnhof verfügte. Es gab erst mal keinen Bahnhof an der neuen Strecke und die haaner Bürger mussten einen zeitraubenden Weg in Kauf nehmen, um in Gruiten ("Station Haan") oder Ohligs den Zug nehmen zu können.
Endlich erhielt Haan im Jahre 1907 den langersehnten Bahnhof. Der neue Bahnhof erhielt den Namen "Haan" und die bisherige Station "Haan" wurde in Bahnhof "Gruiten" umgetauft. Gruiten war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1894 zusammen mit Millrath und Schöller zu einer selbständigen Bürgermeisterei geworden, Vohwinkel und Sonnborn bildeten schon 1867 eine eigenständige Gemeinde.
Hatte Gruiten anfangs ein hölzernes Stellwerksgebäude auf der Südseite der Gleise
an der Bergstraße, so wurde dieses in 1909 auf die Nordseite der Gleise verlegt und in Ziegelbauweise
neu errichtet. Der bis dahin benutzte Bahnübergang von der Bergstraße zur Bahnstraße wurde
aufgehoben. Bereits 1904 hatte die Firma Dyckerhoff & Widmann im Auftrag der Königlichen
Eisenbahn-Direction Elberfeld hundert Meter weiter östlich eine große 8,3 m breite
Bogenbrücke
mit einer Spannweite von 37,8 m errichtet, welche die
Hochstraße über die Brückenstraße mit der Bahnstraße verband. Diese Brücke wurde in 1997 wegen
angeblicher Baufälligkeit abgerissen und durch ein Spannbetonbauwerk ersetzt.
Mit der Abschaffung der mechanischen Stellwerke in Gruiten, Mitte der 70-er Jahre, fing die Modernisierung und damit der Abbau der einst so umfangreichen Bahnanlagen an. Die bunten charakteristischen Flügelsignale und orangefarbenen Scheiben der Vorsignale verschwanden und machten modernen und pflegeleichten Tageslichtsignalen Platz. Die Stellwerke waren nun überflüssig und wurden abgerissen bzw. zurückgebaut und zu Abstellschuppen degradiert. Das neue Stellwerk Gf, das direkt am Bahnhofsgebäude an Gleis 1 erstellt wurde, übernahm fortan die Steuerung der Zugbewegungen und die Bedienung der Weichen und Signale. Ein weiterer Einschnitt war die Einstellung der Bedienung der Ladegleise und überhaupt des Güterverkehrs von und nach Gruiten. Die Gleise dienten fortan nur noch den Bauzügen als Abstellplatz. Die Anlage der S-Bahn S8 von Mönchengladbach nach Hagen bedeutete ein weiterer großer Einschnitt in die Substanz der Bahnanlagen. Die Ladestrasse und die zugehörigen Rangier- und Abstellgleise verschwanden und wichen einem geräumigen "Park und Ride" Parkplatz. Der Bahnsteig "Gleis 1" am Empfangsgebäude verschwand ebenfalls, da es für Nahverkehrszügen zwischen Wuppertal und Düsseldorf mit der Einführung der S-Bahn in Gruiten keinen Halt mehr gab. Der Inselbahnbahnsteig an den Gleisen 2 und 3 wurde weiter nach Süden verlegt, um einem weiteren Gleis für die Trennung von Nah- und Fernverkehr Platz zu machen. Eine zweite Fußgängerunterführung verband nun den Parkplatz mit dem neu angelegten S-Bahnsteig. Gleichzeitig wurde auch der Verkauf von Fahrkarten eingestellt und das Empfangsgebäude für das Publikum geschlossen. Automaten auf den Bahnteigen versorgten von nun an den Fahrkartenverkauf. Dank der Anwesenheit des Fahrdienstleiters in Gruiten Gf war der Bahnhof nicht völlig verwaist und funktionierten die Automaten auch häufiger. Schließlich wurde der Bahnhof Gruiten zu einem aus Wuppertal "fernbedienten" Bahnhof degradiert und gingen die Rollos an Gf endgültig runter. Vandalen und Grafitti-Sprayer konnten nun ungestört den Bahnhof weiter "umgestalten".
Nicht nur für den Bahnhof Gruiten waren die Änderungen mit der Einführung des S-Bahn-Betriebes bedeutsam. Auf der gesamten Strecke zwischen Düsseldorf und Wuppertal (und nicht nur da) wurden umfangreiche Umbauten durchgeführt. Der bereits vorher stillgelegte vohwinkler Rangierbahnhof wurde auf gruitener Seite vom Schienennetz abgeschnitten und verkrautete in wenigen Jahren zu einem dichten Birkenwald, was das Entfernen der Schienen nicht vereinfacht haben dürfte. Zwischen Gruiten und Vohwinkel wurden zusätzliche Gleise für die S-Bahn und für den Güterverkehr angelegt. Dafür mussten Gleise des Rangierbahnhofs und der alte Bahndamm der Korkenzieherbahn verschwinden. Die Stellwerke am Rangierbahnhof und am Abzweig Linden verschwanden. Zwischen Gruiten und Millrath musste der Einschnitt für das zusätzliche Fernverkehrsgleis verbreitert werden. Die freiwerdenden Erdmassen wurden nach Gruiten abgefahren und hier über das ehemalige Anschlussgleis der Kalkwerke an der Fuhr in ein kleines Tal geschüttet. Bei Millrath musste der Bahndamm verbreitert werden. Das geschah zum Teil durch Abtragung und zum anderen durch Anschüttung auf der Nordseite. Bestehende Natursteinunterführungen wurden mit Betonkonstruktionen verlängert. Landwirtschaftliche Wege wurden verlegt. In Hochdahl verschwand ein Bahnübergang. Dafür wurde einige hundert Meter weiter eine neue, sehr breite Unterführung gebaut und die Straßenführung angepasst. Das Stellwerk an der Schranke verschwand. Auf der Steilstrecke zwischen Hochdahl und Erkrath wurde das 3. Gleis (wieder) angelegt. Die alte schmale Backsteinbrücke bei Hochdahl verschwand, um einer neuen breiten Betonbrücke Platz zu machen.
Inbetriebnahmedaten der Eisenbahnstrecken in und um Gruiten | ||
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1838 | 20. Dezember | Eröffnung der Teilstrecke Düsseldorf - Erkrath der Düsseldorf - Elberfelder Eisenbahn. |
1841 | 28. Mai | Aufnahme des öffentlichen Personenverkehrs auf der Teilstrecke Düsseldorf - Vohwinkel. |
1841 | 3. September | Vollendung der gesamten Strecke Düsseldorf - Elberfeld (Steinbeck) von 28,25 km Länge. |
1845 | 1. Dezember | Ausbau der "Prinz-Wilhelm-Bahn" normalspurig und Dampfbetrieb von Kupferdreh nach Vohwinkel. |
1848 | 20. Dezember | Eröffnung der Teilstrecke Elberfeld - Hagen - Dortmund. |
1849 | 9. März | Verbindung Elberfeld - Steinbeck mit Elberfeld - Döppersberg, damit durchgehende Eisenbahnlinie Düsseldorf - Dortmund. |
1867 | 25. September | Eröffnung der Strecke Gruiten - Ohligs - Opladen. |
1868 | 8. April | Eröffnung der Strecke Opladen - Mülheim, Anschluss an die Köln - Mindener Strecke; damit Verbindung Dortmund - Barmen/Elberfeld - Köln. |
1. September | Eröffnung der Strecke Rittershausen (Oberbarmen) - Lennep - Remscheid. | |
1879 | 15. September | Eröffnung der "Rheinischen Strecke" Düsseldorf - Mettmann - Varresbeck - Wichlinghausen - Schwelm. |
1886 | Eröffnung der Strecke Aprath - Wülfrath | |
1887 | 15. November | Eröffnung der Strecke Vohwinkel - Gräfrath - Wald - Solingen. ("Korkenzieherbahn") |
1888 | Eröffnung der Strecke Wülfrath - Velbert | |
1891 | Eröffnung der Strecke Elberfeld - Cronenberg ("Samba-Expreß") | |
1897 | 16. Juli | Eröffnung der Strecke Remscheid - Solingen über die Müngstener Brücke. |
1903 | Ratingen - Wülfrath (Angerbachtalbahn) | |
1968 | Aufnahme des elektrischen Betriebs zwischen Düsseldorf und Hagen | |
1988 | 28. Mai | Eröffnung der S-Bahn-Linie S8 von Mönchengladbach nach Hagen |
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