Die Eisenbahn in Gruiten


Von Gruiten aus gelangt man zu Fuß in weniger als je einer Stunde zu den Bahnhöfen Haan, Wald, Gräfrath, Vohwinkel, Dornap-Hahnenfurth, Mettmann, Neanderthal, Hoch­dahl und Millrath. Ein einst unerreicht dichtes Eisenbahnnetz erschloss die Re­gion im Städtedreieck Düsseldorf - Solingen - Wuppertal. An nicht weniger als 4 ver­schie­denen Eisenbahnlinien liegen (lagen) diese Bahnhöfe. Namen wie "Bergisch - Märkische Eisenbahn" (BME), "Rheinische Eisenbahn" und "Düsseldorf - Elberfelder - Eisenbahn­ge­sell­schaft" (DEE) sind mit diesen Strecken verbunden.


Der Bahnhof Gruiten in den 70er Jahren (noch mit Stellwerk am Gleis 1)
Der Bahnhof Gruiten im Jahre 1975. Im Vordergrund die Gleise von/nach Köln. Im Hintergrund die Gleise der Strecke Düsseldorf - Elberfeld mit Nahverkehrszug in Richtung W'tal.

Am 3. September 1841 fuhr der offizielle erste Zug von Düsseldorf nach Elberfeld (Bahnhof Steinbeck) in den Bahnhof Haan (Gruiten) ein. Die neue Bahnstrecke Düs­seldorf-Elberfeld war gerade in voller Länge eröffnet worden. Zuvor hatten am 28. Mai desselben Jahres die Züge schon Vohwinkel erreicht. Die Betreibergesellschaft, die Düsseldorf - Elberfelder - Eisenbahngesellschaft (DEE) wurde schon im Herbst 1835 gegrün­det und machte sich Anfang 1838 ans Werk. Man hatte die kürzeste Verbindung der beiden Städte, dafür aber die steilste gewählt: zwischen Erkrath und Millrath musste auf einer Streckenlänge von ca. 2,5 km einen Höhenunterschied von mehr als 80 m überwunden wer­den. Das erste Teilstück der Strecke von Düsseldorf über Gerresheim bis Erkrath wurde noch relativ schnell gebaut und ging nach 8 Monaten noch in 1838 in Betrieb. Die Fortsetzung der Strecke über die Steilrampe zum neuen Bahnhof Hochdahl am Kopf der Steigung und weiter über Gruiten, Vohwinkel nach Elberfeld zog sich, vornehmlich wegen der Steilrampe aber auch wegen der davonlaufenden Kosten, noch bis 1841 hin.
Damals waren die an der neuen Strecke liegenden Dörfer Gruiten, Millrath, Schöller und Sonnborn Teile der Bürgermeisterei Haan. Der Bahnhof in Gruiten lag auf haaner Grundge­biet nur wenige Kilometer vom Kern der Ortschaft Haan entfernt und wurde deswegen zur "Station Haan" gestempelt. Dieser Bahnhof wurde damals auf freiem Feld erbaut. Der Ort Gruiten lag Luftlinie ca. 1,25 km nördlich vom Bahnhof. Von der Station Haan zur Stadt Haan (Alter Markt) waren es Luftlinie 2,5 km. Schaut man heute auf den gruitener Stadt­plan, so lässt sich leicht erkennen, welche Bedeutung der Bahnhof für die weitere Entwick­lung der Gemeinde hatte. Die Bahnstraße wurde zur Hauptstraße mit Rathaus, Postamt und Geschäften.


Ausschnitt aus der topografischen Karte 1968
Ausschnitt aus der topographischen Karte von 1968 © Landesvermessungsamt Nordrhein - Westfalen

Der Betrieb der Strecke im Jahre 1841 erfolgte mit äußerst kleinen und für heutige Verhältnisse schwachen 1A1 und B1 Lokomotiven. Die Eisenbahngeschichte in Deutsch­land war ja gerade mal sechs Jahre alt! Die kleinen Maschinen waren auf der 1:30 Steilrampe nicht in der Lage, viel mehr als das eigene Gewicht nach oben zu schlep­pen. Deswegen wurde oben an der Rampe mit gewaltigem baulichen Aufwand eine dampf­be­triebene Seilwinde errichtet, welche die Züge mittels eines Hanfseiles(!) nach oben zie­hen sollte. Diese Lösung war aber so umständlich, dass man sie bald wieder verließ und die Anlage so gestaltete, dass ein abwärts fahrender Zug über Seil und Umlenkrolle, den auf­wärts fahrenden Zug zieht. In der ersten Zeit bestand dazu noch die Möglichkeit, die ste­hen­de Maschine zur Unterstützung mit einzubinden, doch das erwies sich bald als über­flüs­sig. Bis 1926 wurde die Anlage mit Hilfe des Seilzuges betrieben. Die damaligen Dampfloko­motiven waren nun so leistungsfähig, dass ein Betrieb ohne Seil möglich war. Schwere Züge wurden mit einer zweiten Lokomotive nachgeschoben. Eine der Umlenkrollen wurde 1938 als Denkmal am Bahnhof Erkrath aufgestellt. Als 1986 in Hochdahl die gusseisernen Lager­käs­ten der ehemaligen Seilzuganlage im Gleiskörper entdeckt wurden, beschloss man einen der Kästen, zusammen mit der Umlenkrolle aus Erkrath als Denkmal am Bahnhof Hochdahl aufzustellen.


236 204 mit Bauzug in Gruiten am Ladegleis
Lok 236 204-4 mit Bauzug in Gruiten (Aug. 1977)

Im übrigen wurden beim Bau der Eisenbahnstrecke bei Hochdahl, in Obgruiten und der Krutschheide (östlich von Gruiten) Eisenerzlager entdeckt, die zur Gründung des Hüt­ten­werks "Eintracht" in Hochdahl führten. Der für die Verhüttung erforderliche Kalk war ebenfalls ein Produkt der Gegend, nur die Kohle (der Koks) musste per Bahn herangeschafft werden. In Gruiten entwickelte sich der bereits traditionelle Kalkabbau nun schlagartig und es wurde eine Verladestelle an der neuen Eisenbahn angelegt. Neue Kalköfen entstanden und sorgten für viel Schienenverkehr. Auch die Gewinnung des Eisenerzes ("Braunerde") spielte bis Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewisse Rolle.
Die Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahngesellschaft ging 1857 in die Bergisch Märkische Eisen­bahngesellschaft (BME) auf.


01 1102 mit Stromlinienschale unter der alten Bogenbrücke in Gruiten (11.05.1996)
01 1102 mit Stromlinienschale unter der alten Eisenbahnbrücke in Gruiten (11.05.1996)

Im Jahre 1867 wurde die Strecke Köln - Elberfeld, die zweite der BME im haaner Stadt­gebiet, eingeweiht. Das bedeutete allerdings nicht, dass Haan nun über einen "eigenen" Bahnhof verfügte. Es gab erst mal keinen Bahnhof an der neuen Strecke und die haaner Bürger mussten einen zeitraubenden Weg in Kauf nehmen, um in Gruiten ("Station Haan") oder Ohligs den Zug nehmen zu können.


Zug Düsseldorf-Wuppertal am Abzweig Linden, im Hintergrund der Damm der Korkenzieherbahn.
Beim Abzweig "Linden", östlich von Gruiten, mündet die Strecke aus Köln in die
Strecke Düsseldorf - Elberfeld (1976).Das Stellwerk am Damm der Korkenzieherbahn
war damals schon außer Betrieb.

Endlich erhielt Haan im Jahre 1907 den langersehnten Bahnhof. Der neue Bahnhof erhielt den Namen "Haan" und die bisherige Station "Haan" wurde in Bahnhof "Gruiten" umge­tauft. Gruiten war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1894 zusammen mit Millrath und Schöller zu einer selbständigen Bürgermeisterei geworden, Vohwinkel und Sonnborn bildeten schon 1867 eine eigenständige Gemeinde.


kolorierte Ansichtskarte des Bahnhofes Haan
Kolorierte Ansichtskarte des Bahnhofes Haan

Ausschnit aus dem Streckenübersicht zum Fahrplan 1975
Ausschnitt aus der Streckenkarte der DB zum Fahrplan 1975

Hatte Gruiten anfangs ein hölzernes Stellwerksgebäude auf der Südseite der Gleise an der Bergstraße, so wurde dieses in 1909 auf die Nordseite der Gleise verlegt und in Ziegelbauweise neu errichtet. Der bis dahin benutzte Bahnübergang von der Berg­straße zur Bahnstraße wurde aufgehoben. Bereits 1904 hatte die Firma Dyckerhoff & Wid­mann im Auftrag der Königlichen Eisenbahn-Direction Elberfeld hundert Meter weiter östlich eine große 8,3 m breite Bogenbrücke mit einer Spannweite von 37,8 m errichtet, welche die Hochstraße über die Brückenstraße mit der Bahnstraße verband. Diese Brücke wurde in 1997 wegen angeblicher Baufälligkeit abgerissen und durch ein Spannbetonbauwerk ersetzt.


Eine Behelfsbrücke überspannt die Gleise in Gruiten. Dahinter die alte Brücke.
Während des Abrisses der alten und Aufbau der neuen Brücke floss
der Straßenverkehr über eine Behelfsbrücke.

Mit der Abschaffung der mechanischen Stellwerke in Gruiten, Mitte der 70-er Jahre, fing die Modernisierung und damit der Abbau der einst so umfangreichen Bahnan­la­gen an. Die bunten charakteristischen Flügelsignale und orangefarbenen Scheiben der Vorsignale verschwanden und machten modernen und pflegeleichten Tageslichtsignalen Platz. Die Stellwerke waren nun überflüssig und wurden abgerissen bzw. zurückgebaut und zu Abstellschuppen degradiert. Das neue Stellwerk Gf, das direkt am Bahnhofsgebäude an Gleis 1 erstellt wurde, übernahm fortan die Steuerung der Zugbewegungen und die Bedie­nung der Weichen und Signale. Ein weiterer Einschnitt war die Einstellung der Bedienung der Ladegleise und überhaupt des Güterverkehrs von und nach Gruiten. Die Gleise dienten fortan nur noch den Bauzügen als Abstellplatz. Die Anlage der S-Bahn S8 von Mönchen­glad­bach nach Hagen bedeutete ein weiterer großer Einschnitt in die Substanz der Bahnanlagen. Die Ladestrasse und die zugehörigen Rangier- und Abstellgleise verschwanden und wichen einem geräumigen "Park und Ride" Parkplatz. Der Bahnsteig "Gleis 1" am Empfangsgebäude verschwand ebenfalls, da es für Nahverkehrszügen zwischen Wuppertal und Düsseldorf mit der Einführung der S-Bahn in Gruiten keinen Halt mehr gab. Der Inselbahnbahnsteig an den Gleisen 2 und 3 wurde weiter nach Süden verlegt, um einem weiteren Gleis für die Trennung von Nah- und Fernverkehr Platz zu machen. Eine zweite Fußgängerunterführung verband nun den Parkplatz mit dem neu angelegten S-Bahnsteig. Gleichzeitig wurde auch der Ver­kauf von Fahrkarten eingestellt und das Empfangsgebäude für das Publikum geschlossen. Automaten auf den Bahnteigen versorgten von nun an den Fahrkartenverkauf. Dank der An­we­senheit des Fahrdienstleiters in Gruiten Gf war der Bahnhof nicht völlig verwaist und funktionierten die Automaten auch häufiger. Schließlich wurde der Bahnhof Gruiten zu einem aus Wuppertal "fernbedienten" Bahnhof degradiert und gingen die Rollos an Gf end­gül­tig runter. Vandalen und Grafitti-Sprayer konnten nun ungestört den Bahnhof weiter "umgestalten".


Nicht nur für den Bahnhof Gruiten waren die Änderungen mit der Einführung des S-Bahn-Betriebes bedeutsam. Auf der gesamten Strecke zwischen Düsseldorf und Wuppertal (und nicht nur da) wurden umfangreiche Umbauten durchgeführt. Der bereits vorher stillgelegte vohwinkler Rangierbahnhof wurde auf gruitener Seite vom Schie­nennetz abgeschnitten und verkrautete in wenigen Jahren zu einem dichten Birken­wald, was das Entfernen der Schienen nicht vereinfacht haben dürfte. Zwischen Gruiten und Vohwinkel wurden zusätzliche Gleise für die S-Bahn und für den Güterverkehr angelegt. Dafür mussten Gleise des Rangierbahnhofs und der alte Bahndamm der Korkenzieherbahn verschwinden. Die Stellwerke am Rangierbahnhof und am Abzweig Linden verschwanden. Zwischen Gruiten und Millrath musste der Einschnitt für das zusätzliche Fernverkehrsgleis verbreitert werden. Die freiwerdenden Erdmassen wurden nach Gruiten abgefahren und hier über das ehemalige Anschlussgleis der Kalkwerke an der Fuhr in ein kleines Tal geschüt­tet. Bei Millrath musste der Bahndamm verbreitert werden. Das geschah zum Teil durch Ab­tragung und zum anderen durch Anschüttung auf der Nordseite. Bestehende Naturstein­un­terführungen wurden mit Betonkonstruktionen verlängert. Landwirtschaftliche Wege wurden verlegt. In Hochdahl verschwand ein Bahnübergang. Dafür wurde einige hundert Meter weiter eine neue, sehr breite Unterführung gebaut und die Straßenführung angepasst. Das Stellwerk an der Schranke verschwand. Auf der Steilstrecke zwischen Hochdahl und Erkrath wurde das 3. Gleis (wieder) angelegt. Die alte schmale Backsteinbrücke bei Hochdahl ver­schwand, um einer neuen breiten Betonbrücke Platz zu machen.


Bau einer neuen Straßenbrücke bei Hochdals als Ersatz für die sichtbare Backsteinkonstruktion.
Bau einer neuen Straßenbrücke bei Hochdahl als Ersatz für die sichtbare Backsteinkonstruktion.

Inbetriebnahmedaten der Eisenbahnstrecken in und um Gruiten
1838 20. Dezember  Eröffnung der Teilstrecke Düsseldorf - Erkrath der Düsseldorf - Elberfelder Eisenbahn.
1841 28. Mai  Aufnahme des öffentlichen Personenverkehrs auf der Teilstrecke Düsseldorf - Vohwinkel.
1841 3. September Vollendung der gesamten Strecke Düsseldorf - Elberfeld (Steinbeck) von 28,25 km Länge.
1845 1. Dezember Ausbau der "Prinz-Wilhelm-Bahn" normalspurig und Dampfbetrieb von Kupferdreh nach Vohwinkel.
1848 20. Dezember Eröffnung der Teilstrecke Elberfeld - Hagen - Dortmund.
1849 9. März Verbindung Elberfeld - Steinbeck mit Elberfeld - Döppersberg, damit durchgehende Eisenbahnlinie Düsseldorf - Dortmund.
1867 25. September Eröffnung der Strecke Gruiten - Ohligs - Opladen.
1868 8. April Eröffnung der Strecke Opladen - Mülheim, Anschluss an die Köln - Mindener Strecke; damit Verbindung Dortmund - Barmen/Elberfeld - Köln.
  1. September Eröffnung der Strecke Rittershausen (Oberbarmen) - Lennep - Remscheid.
1879 15. September Eröffnung der "Rheinischen Strecke" Düsseldorf - Mettmann - Varresbeck - Wichlinghausen - Schwelm.
1886   Eröffnung der Strecke Aprath - Wülfrath
1887 15. November Eröffnung der Strecke Vohwinkel - Gräfrath - Wald - Solingen. ("Korkenzieherbahn")
1888   Eröffnung der Strecke Wülfrath - Velbert
1891   Eröffnung der Strecke Elberfeld - Cronenberg ("Samba-Expreß")
1897 16. Juli Eröffnung der Strecke Remscheid - Solingen über die Müngstener Brücke.
1903   Ratingen - Wülfrath (Angerbachtalbahn)
1968   Aufnahme des elektrischen Betriebs zwischen Düsseldorf und Hagen
1988 28. Mai Eröffnung der S-Bahn-Linie S8 von Mönchengladbach nach Hagen

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