Die Rheinische Strecke oder Wuppertaler Nordbahn


Akkutriebwagen ETA 515 nach Wuppertal-Wichlinghausen steht abfahrbereit in Düsseldorf HBf
Akkutriebwagen ETA 515 nach Wuppertal-Wichlinghausen steht
abfahrbereit in Düsseldorf HBf

Am Ende des Wanderweges durch das Neandertal in Richtung Düsseldorf liegt am Zu­sammenfluss des Mettmanner Bachs und der Düssel auf dem gegenüberliegenden Hang der Bahnhof Neanderthal. Als wir bei unseren Wanderungen den Bahnhof das erste mal sahen, war es, als hätte man die Zeit um 20 Jahre zurückgedreht. Formsignale, Stellwerke, reger Güter- und Personenverkehr, jede Menge Abstellgleise und ein besetzter Bahnhof waren Elemente einer Eisenbahn, die man auf den Hauptstrecken zu dieser Zeit kaum noch antraf. Das eindrucksvolle Bahnhofsgebäude aus dunkel verwitterten, ehemals gelben Backsteinen war aber dennoch für den abzuwickelnden Verkehr etwas überdimen­sio­niert. Die verkatschten, emaillierten Bahnhofsschilder mit der Aufschrift "Neanderthal" ver­stärkten durch die alte Schreibweise die Epoche III Atmosphäre. Neugierig geworden, woher die Bahn kam und wohin sie ging, wurden nach und nach die diversen Strecken­ab­schnitte teils zu Fuß und teils auf dem Rad erkundet.


Der Bahnhof Neanderthal im Jahre 1975
Der Bahnhof Neanderthal im Jahre 1975.

Am 15. September 1879 eröffnete die "Rheinische Eisenbahn Gesellschaft ihre Kon­kur­renzstrecke zu der bereits seit 1841/1849 bestehenden Linie Düsseldorf-Elberfeld-Dort­mund der "Bergisch-Märkischen Eisenbahn" (BME). In Düsseldorf Gerresheim zweigte die sogenannte "Rheinische Strecke" von der seit 1841 bestehenden West-Ost-Strecke nach Norden ab, um wenig später wieder parallel zur Bergisch-Märkischen Kon­kur­renz nach Osten abzubiegen. Auf dem nördlichen Hang des Düsseltales gewann die Strecke langsam an Höhe. Aufwändige Kunstwerke, wie die Steilstrecke zwischen Erkrath und Hoch­dahl, konnten so auf diesem Abschnitt unter Inkaufnahme eines kleinen Umweges vermie­den werden. Dem Düsseltal wurde zunächst Erkrath-Nord erreicht. Am Kalkabbaugebiet zwischen Erkrath und Mettmann unweit des Fundortes des "Neanderthalers" wurde der Bahnhof Neanderthal er­richtet, vornehmlich um den hier für die Hochöfen des Ruhrgebietes abgebauten Kalk zu verladen. Weiter ging es entlang dem Tal des Mettmanner Bachs über Mettmann, an dem Gehöft Schöller vorbei nach Dornap-Hahnenfurth, wo schon bald auch der Kalk für erheb­liches Frachtaufkommen sorgen sollte. Kurz hinter Dornap-Hahnenfurth kreuzte die Rhei­nische Strecke die Prinz-Wilhelm-Bahn von Wuppertal-Vohwinkel nach Essen-Steele. Unsere Strecke verlief hier in einem Gelände-Einschnitt kurz vor dem "Tescher Tunnel". Die Prinz Wilhelm-Bahn fuhr über eine Brücke über den Einschnitt der Rheinischen Strecke. Das erste größere Kunstwerk der Bahn war der Tescher Tunnel, durch den Höhenzug Tesche, die Wasserscheide zwischen Rhein und Wupper. Am östlichen Tunnelausgang, nörd­lich von Vohwinkel und Sonnborn gab es zum Zeitpunkt des Bahnbaues nur das Schloß Lün­ten­beck. Erst später sollte sich hier auf beiden Seiten der Bahn Industrie ansiedeln.


Ausschnitt aus der Streckenkarte zum Kursbuch von 1975
Ausschnitt aus der Streckenkarte zum Kursbuch von 1975 (Strecke rot markiert)

Die Rheinische Strecke befand sich zwischen dem Tescher Tunnel und Wichlinghausen auf dem Nordhang des Wuppertals, weit oberhalb von Elberfeld und Barmen und wur­de deswegen auch bald Wuppertaler Nordbahn genannt, um sie von der im Tal liegenden Strecke der BME zu unterscheiden. Dieser Streckenabschnitt erforderte weit mehr Kunstbauten als der Abschnitt Gerresheim - Dornap. Riesige Dammaufschüttungen, weitere Tunnels und vor allem Viadukte wurden angelegt, um das Höhenprofil der Bahn möglichst flach zu halten. Aufgrund dieses flachen Profils war die Nordbahn vor allem für Güterzüge sehr geeignet. Die ohnehin schon schwer belastete Talbahn konnte durch die Nordbahn er­heblich entlastet werden. Schwerpunktmäßig diente die Rheinische Strecke bald dem Güter­verkehr. Der Reisezugbetrieb erlangte nie mehr als lokale Bedeutung. Der Bereich an der Strecke wurde bald besiedelt und es ließ sich Industrie nieder.


Akkutriebwagen auf dem Weg nach Lüntenbeck. Im Hintergrund der Gasbehälter von Sonnborn
Akkutriebwagen auf dem Weg nach Lüntenbeck. Im Hintergrund der
Gasbehälter von Sonnborn

Der Triebwagen hat den Haltepunkt Lüntenbeck erreicht
Der Triebwagen hat den Haltepunkt Lüntenbeck erreicht

Zuletzt diente die Rheinische Strecke fast nur noch dem spärlichem Personenverkehr. Meine frühesten Beobachtungen, die aus den 70er Jahren stammen, waren Schienen­busse und Akkutriebwagen. Vereinzelt bedienten V60 die zahlreichen Gleisanschlüsse der Wuppertaler Nordbahn. Auf dem Streckenabschnitt zwischen Dornap und Lüntenbeck habe ich nie Güterzüge gesehen. Die wenigen alten Triebwagen, die die vernachlässigten Bahnhöfe und Haltestellen anfuhren, waren typische, schlecht besetzte Alibizüge, die be­wei­sen sollten, dass nicht die Bahn, sondern die Kunden die Strecke nicht mehr wollten. Die erste Stilllegung betraf den Abschnitt zwischen Dornap und Lüntenbeck. Die Strecke war nun zweigeteilt. Sie wurde von Düsseldorf bis Mettmann und von Vohwinkel bis Wichling­hausen bedient. Während der Streckenast von Düsseldorf bis bis Dornap bis heute überlebt hat, wurde die Nordbahn auf Wuppertaler Stadtgebiet in 1991 für den Personenverkehr stillgelegt. Die ehemals umfangreichen Gleisanlagen wurden zurückgebaut und eine ver­ein­fachte Bedienung der verbliebenen Anschlüsse im Güterverkehr eingerichtet. In Dezember 1999 wurde dann die Strecke auch für den Güterverkehr stillgelegt. Es fanden zwischen 1991 und 1999 zahlreiche Sonderfahrten statt, bei denen anfangs die letzten noch bei der Bahn verbliebenen Akkutriebwagen der Baureihe 515 aus Mönchengladbach eingesetzt wurden. Spektakulär war das Befahren der Viadukte mit Fotohalten hoch über der Stadt Wuppertal.


515 604-7 in Wuppertal-Rott (Sonderfahrt 16.5.93)
515 604-7 in Wuppertal-Rott (Sonderfahrt 16.5.93)

815 690-3 in Mirke vor dem Stellwerk(16.5.1993)
815 690-3 in Mirke vor dem Stellwerk(16.5.1993)

Heute ist von der gesamten Strecke nur noch der untere Teil von Düsseldorf bis Dor­nap-Hahnenfurth in Betrieb. Zwischen Düsseldorf und Dornap-Hahnenfurth findet noch planmäßiger Güterverkehr statt. Die in 1992 gegründete Regiobahn hat in 1998 die Strecke zwischen Gerresheim und Mettmann von der DB übernommen und begann 1 Jahr später mit dem Aus- und Umbau der Gleise und der Bahnhöfe. Mit modernen Talent Trieb­wagen, sauberen Bahnhöfen und einem 20-Minuten Taktverkehr ist es der Regiobahn ge­lun­gen, die Fahrgäste zurück auf die Schiene zu bringen und die Beförderungszahlen stark zu steigern. Der Abschnitt östlich von Dornap Hahnenfurth durch den Tescher Tunnel bis nach Lüntenbeck wurde sofort nach Einstellung des Personenverkehrs abgebaut. Die Trasse war in wenigen Jahren volkommen zugewuchert. Die Verbindungsbahn von Vohwinkel nach Lünten­beck blieb stark amputiert erhalten. Das Überführungsbauwerk zum Vohwinkler Rangier­bahn­hof verschwand. Die BW Anlagen und Abstellgleise am Verbindungsgleis zur Nordbahn­strecke wurden abgebaut. Nach der Einstellung des letzten Güterverkehrs blieben die Gleise auf der Nordbahn liegen. Nach über 10 Jahren Dornröschenschlaf der Strecke ergriff die Wuppertalbewegung die Initiative und setzte sich für den Erhalt der Nordbahntrasse als kombinierten Rad- und Wanderweg ein.


Akkutriebwagen 515-636-6 mit Steuerwagen hat den Endbahnhof Wichlinghausen erreicht
Akkutriebwagen 515-636-6 mit Steuerwagen hat den Endbahnhof Wichlinghausen erreicht

Talent 1002 der Regiobahn passiert das Stellwerk Neanderthal Ost auf dem Weg nach Kaarst
Talent 1002 der Regiobahn erreicht das Stellwerk Neanderthal Ost auf dem Weg nach Kaarst

Lok der Neusser Eisenbahn rangiert in Dornap-Hahnenfurth
Lok der Neusser Eisenbahn rangiert in Dornap-Hahnenfurth

Güterzug zwischen Dornap und Mettmann beim Gehöft Schöller
Güterzug zwischen Dornap und Mettmann beim Gehöft Schöller

815 756-2 nach Vohwinkel in Lüntenbeck
Akkutriebwagen 815 756-2 nach Vohwinkel in Lüntenbeck

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