Die Rheinische Strecke oder Wuppertaler Nordbahn
abfahrbereit in Düsseldorf HBf
Am Ende des Wanderweges durch das Neandertal in Richtung Düsseldorf liegt am
Zusammenfluss des Mettmanner Bachs und der Düssel auf dem gegenüberliegenden Hang der Bahnhof Neanderthal.
Als wir bei unseren Wanderungen den Bahnhof das erste mal sahen, war es, als hätte man die Zeit um
20 Jahre zurückgedreht. Formsignale, Stellwerke
, reger Güter- und
Personenverkehr, jede Menge Abstellgleise und ein besetzter Bahnhof waren Elemente einer Eisenbahn,
die man auf den Hauptstrecken zu dieser Zeit kaum noch antraf. Das eindrucksvolle Bahnhofsgebäude
aus dunkel verwitterten, ehemals gelben Backsteinen war aber dennoch für den abzuwickelnden Verkehr
etwas überdimensioniert. Die verkatschten, emaillierten Bahnhofsschilder mit der Aufschrift
"Neanderthal" verstärkten durch die alte Schreibweise die Epoche III Atmosphäre.
Neugierig geworden, woher die Bahn kam und wohin sie ging, wurden nach und nach die diversen
Streckenabschnitte teils zu Fuß und teils auf dem Rad erkundet.

Am 15. September 1879 eröffnete die "Rheinische Eisenbahn Gesellschaft ihre
Konkurrenzstrecke zu der bereits seit 1841/1849 bestehenden Linie Düsseldorf-Elberfeld-Dortmund
der "Bergisch-Märkischen Eisenbahn" (BME). In Düsseldorf Gerresheim zweigte die sogenannte "Rheinische
Strecke" von der seit 1841 bestehenden West-Ost-Strecke nach Norden ab, um wenig später wieder
parallel zur Bergisch-Märkischen Konkurrenz nach Osten abzubiegen. Auf dem nördlichen Hang des
Düsseltales gewann die Strecke langsam an Höhe. Aufwändige Kunstwerke, wie die Steilstrecke zwischen
Erkrath und Hochdahl, konnten so auf diesem Abschnitt unter Inkaufnahme eines kleinen Umweges vermieden
werden. Dem Düsseltal wurde zunächst Erkrath-Nord erreicht. Am Kalkabbaugebiet zwischen Erkrath und
Mettmann unweit des Fundortes des "Neanderthalers" wurde der Bahnhof Neanderthal errichtet, vornehmlich
um den hier für die Hochöfen des Ruhrgebietes abgebauten Kalk zu verladen. Weiter ging es entlang dem Tal
des Mettmanner Bachs über Mettmann
, an dem Gehöft
Schöller
vorbei nach
Dornap-Hahnenfurth
, wo schon bald
auch der Kalk für erhebliches Frachtaufkommen sorgen sollte. Kurz hinter Dornap-Hahnenfurth
kreuzte die Rheinische Strecke die Prinz-Wilhelm-Bahn von Wuppertal-Vohwinkel nach Essen-Steele.
Unsere Strecke verlief hier in einem Gelände-Einschnitt kurz vor dem "Tescher Tunnel". Die Prinz
Wilhelm-Bahn fuhr über eine Brücke über den Einschnitt der Rheinischen Strecke. Das erste größere
Kunstwerk der Bahn war der
Tescher Tunnel
, durch den Höhenzug
Tesche, die Wasserscheide zwischen Rhein und Wupper. Am östlichen Tunnelausgang, nördlich von
Vohwinkel und Sonnborn gab es zum Zeitpunkt des Bahnbaues nur das Schloß Lüntenbeck. Erst später
sollte sich hier auf beiden Seiten der Bahn Industrie ansiedeln.

Die Rheinische Strecke befand sich zwischen dem Tescher Tunnel und Wichlinghausen auf dem Nordhang des Wuppertals, weit oberhalb von Elberfeld und Barmen und wurde deswegen auch bald Wuppertaler Nordbahn genannt, um sie von der im Tal liegenden Strecke der BME zu unterscheiden. Dieser Streckenabschnitt erforderte weit mehr Kunstbauten als der Abschnitt Gerresheim - Dornap. Riesige Dammaufschüttungen, weitere Tunnels und vor allem Viadukte wurden angelegt, um das Höhenprofil der Bahn möglichst flach zu halten. Aufgrund dieses flachen Profils war die Nordbahn vor allem für Güterzüge sehr geeignet. Die ohnehin schon schwer belastete Talbahn konnte durch die Nordbahn erheblich entlastet werden. Schwerpunktmäßig diente die Rheinische Strecke bald dem Güterverkehr. Der Reisezugbetrieb erlangte nie mehr als lokale Bedeutung. Der Bereich an der Strecke wurde bald besiedelt und es ließ sich Industrie nieder.

Gasbehälter von Sonnborn

Zuletzt diente die Rheinische Strecke fast nur noch dem spärlichem Personenverkehr.
Meine frühesten Beobachtungen, die aus den 70er Jahren stammen, waren Schienenbusse und
Akkutriebwagen
.
Vereinzelt bedienten V60 die zahlreichen Gleisanschlüsse der Wuppertaler Nordbahn. Auf dem
Streckenabschnitt zwischen Dornap und Lüntenbeck habe ich nie Güterzüge gesehen. Die wenigen alten
Triebwagen, die die vernachlässigten Bahnhöfe und Haltestellen anfuhren, waren typische, schlecht
besetzte Alibizüge, die beweisen sollten, dass nicht die Bahn, sondern die Kunden die Strecke
nicht mehr wollten. Die erste Stilllegung betraf den Abschnitt zwischen Dornap und
Lüntenbeck
.
Die Strecke war nun zweigeteilt. Sie wurde von Düsseldorf bis Mettmann und von Vohwinkel bis
Wichlinghausen bedient. Während der Streckenast von Düsseldorf bis bis Dornap bis heute überlebt
hat, wurde die Nordbahn auf Wuppertaler Stadtgebiet in 1991 für den Personenverkehr stillgelegt. Die
ehemals umfangreichen Gleisanlagen wurden zurückgebaut und eine vereinfachte Bedienung der
verbliebenen Anschlüsse im Güterverkehr eingerichtet. In Dezember 1999 wurde dann die Strecke auch
für den Güterverkehr stillgelegt. Es fanden zwischen 1991 und 1999 zahlreiche Sonderfahrten statt,
bei denen anfangs die letzten noch bei der Bahn verbliebenen Akkutriebwagen der Baureihe 515 aus
Mönchengladbach eingesetzt wurden. Spektakulär war das Befahren der Viadukte mit Fotohalten hoch
über der Stadt Wuppertal.


Heute ist von der gesamten Strecke nur noch der untere Teil von Düsseldorf
bis Dornap-Hahnenfurth in Betrieb. Zwischen Düsseldorf und Dornap-Hahnenfurth findet noch planmäßiger
Güterverkehr
statt. Die in 1992 gegründete Regiobahn hat in 1998 die Strecke zwischen Gerresheim und
Mettmann von der DB übernommen und begann 1 Jahr später mit dem Aus- und Umbau der Gleise und der
Bahnhöfe. Mit modernen Talent Triebwagen, sauberen Bahnhöfen und einem 20-Minuten Taktverkehr ist
es der Regiobahn gelungen, die Fahrgäste zurück auf die Schiene zu bringen und die Beförderungszahlen
stark zu steigern.
Der Abschnitt östlich von Dornap Hahnenfurth durch den Tescher Tunnel bis nach Lüntenbeck wurde sofort
nach Einstellung des Personenverkehrs abgebaut. Die Trasse war in wenigen Jahren volkommen zugewuchert.
Die Verbindungsbahn von Vohwinkel nach Lüntenbeck blieb stark amputiert erhalten.
Das Überführungsbauwerk zum Vohwinkler Rangierbahnhof verschwand. Die BW Anlagen und Abstellgleise am
Verbindungsgleis zur Nordbahnstrecke wurden abgebaut. Nach der Einstellung des letzten Güterverkehrs blieben
die Gleise auf der Nordbahn liegen. Nach über 10 Jahren Dornröschenschlaf der Strecke ergriff die
Wuppertalbewegung die Initiative und setzte
sich für den Erhalt der Nordbahntrasse als kombinierten Rad- und Wanderweg ein.



© 2011 - 2021 Gerard Clemens letzter Update 22.05.2021